Sie ist im wesentlichen als eine Organisationsentwicklungsstrategie zu begreifen. Betriebliche Gesundheitsförderung orientiert sich so nah wie möglich an jenen Faktoren der Arbeitswelt, die Krankheiten auslösen können. Da der Gesundheitszustand der Beschäftigten natürlich auch vom persönlichen Lebensstil und vom Risikoverhalten abhängt, kann bei betrieblichen Gesundheitsförderungsprojekten der Verhaltensförderung durchaus Aufmerksamkeit geschenkt werden.Gesundheitsförderung knüpft generell an der Frage an: Wo wird Gesundheit hergestellt?
Dies bedeutet, dass in den jeweiligen Lebensbereichen (Familie, Stadt, Schule, Arbeit) auf die dort herrschenden organisatorischen Bedingungen Rücksicht genommen werden muss; ja diese sogar essentiell zu verändern sind. In der Praxis der Betrieblichen Gesundheitsförderung liegt daher der Schwerpunkt der Maßnahmen eindeutig im verhältnisfördernden Bereich. Orientieren sich die Gesundheitsförderer bei betrieblichen Projekten an bewährten Mustern der Organisationsentwicklung, des Projektmanagements und den in Qualitätszirkeln und anderen Gruppenarbeitsprozessen eingesetzten Moderationstechniken, so können sie ihr Vorhaben in jenen Betrieben, die derartige Methoden anwenden, nahtlos einfügen und in Unternehmen, welche sich diesen modernen betriebswirtschaftlichen Methoden noch nicht geöffnet haben, eine Entwicklung in diese Richtung anstoßen.Die Zielsetzungen des Konzepts der „Betrieblichen Gesundheitsförderung“ bestehen in der Schaffung von menschenwürdigen und menschengerechten Arbeitsplätzen und können somit als eine Fortführung des Anspruchs der Humanisierung der Arbeit gelten. Gegenwärtig wird gesundheitspolitisches Handeln noch von der Forderung nach ausreichender medizinischer Versorgung im Krankheitsfall und nach Verminderung der Risikofaktoren für bestimmte Krankheiten beherrscht.Die bisherigen Strategien der gewerkschaftlichen und, soweit überhaupt formuliert, politischen Forderungen im Zusammenhang mit der Gesundheit in der Arbeitswelt sind gleichfalls reaktiv definiert. In der Europäischen Union stand mit der Errichtung eines Netzwerkes für Betriebliche Gesundheitsförderung das Bemühen im Vordergrund, das gesundheitliche Umfeld der Erwerbsarbeit aktiv zu gestalten.
Erfolgsfaktoren Betrieblicher Gesundheitsförderung
Da betriebliche Gesundheitsförderung eine umfassende Programmatik und Zielsetzung verfolgt, hat dies auch Konsequenzen für die an sie gerichteten Qualitätsanforderungen. Da betriebliche Gesundheitsförderung im Regelfall einem ganzheitlichen Konzept folgt, muss die Qualitätssicherung sich an der Struktur, dem Prozess und dem Ergebnis orientieren. Im Rahmen des europäischen Netzwerkes für betriebliche Gesundheitsförderung setzten sich die Vertreter/innen der Mitgliedsstaaten ausführlich mit den Qualitätsanforderungen auseinander. Als Leitlinie setzten sich hierbei die von den deutschen Betriebskrankenkassen entwickelten Qualitätskriterien durch, die im übrigen auch bei den österreichischen Projekten zugrunde liegen. Die Merkmale einer qualitativ gehaltvollen betrieblichen Gesundheitsförderungsarbeit seien nachfolgend knapp dargestellt:
- Integration im Betrieb
Betriebliche Gesundheitsförderung darf nicht abgehoben vom Arbeitsalltag im Unternehmen erfolgen, sondern muss auf unterschiedlichsten Ebenen in die betrieblichen Strukturen und Abläufe integriert werden. Dass zunächst nur einzelne Unternehmensteile in ein Projekt eingebunden werden, widerspricht dieser Qualitätsanforderung nicht. Das Ziel muss allerdings sein, den durch die Gesundheitsförderung entwickelten neuen Zugang zur Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz in die gesamte Betriebskultur zu übernehmen;
- Interdisziplinäre und hierarchieübergreifende Zusammenarbeit
Die Nutzung der Kompetenz von und die Kooperation mit allen im Unternehmen vertretenen Gruppen sind unabdingbare Voraussetzung für eine auf Dauer ausgerichtete Gesundheitsförderung. Dies bedeutet, dass die Unternehmensleitung und der Betriebsrat (beide möglichst hochrangig) sowie die betrieblichen Präventivdienste mit ihrer Fachkompetenz eine Steuerungsgruppe für die betriebliche Gesundheitsförderung bilden;
- Durchführung einer Ist-Analyse
Eine Bestandsaufnahme der die Arbeitsumwelt beeinflussenden Faktoren, des gesundheitlichen Befindens der Beschäftigten unter tätigkeitsbezogenen Anforderungen und Belastungen bilden die Ausgangsanalyse für ein Gesundheitsförderungsprogramm;
- Operationalisierbare Ziele
Zu Beginn des Gesundheitsförderungsprojektes müssen von der Steuerungsgruppe die betrieblichen gesundheitspolitischen Ziele und Teilziele konkret festgelegt werden. Insbesondere die Geschäftsleitung einerseits und der Betriebsrat andererseits müssen deutlich machen, hinter welchem gesundheitspolitischen Programm sie stehen;
- Kontinuität und Ganzheitlichkeit
Die Betriebliche Gesundheitsförderung muss den Menschen als physisches, psychisches und soziales Wesen ansprechen und sie ist nur als ein kontinuierlicher Prozess zu begreifen, der in die betriebliche Organisation und die Arbeitsabläufe eingebunden ist und auch die sich wandelnden Bedingungen im Unternehmen nachvollzieht;
- Offenheit und Partizipation
Betriebliche Gesundheitsförderung ist nicht frei von Interessenkonflikten. Deshalb ist es richtig, Entscheidungen für alle an diesem Prozess beteiligten transparent zu machen. Beteiligung beginnt mit frühzeitiger und umfassender Information und reicht bis zur Einbindung der betroffenen Beschäftigten in die Arbeit von Gesundheitszirkeln;
- Zielgruppenorientierung und Stärkung persönlicher Gesundheitskompetenzen
Betriebliche Gesundheitsförderung muss darauf Rücksicht nehmen, dass üblicherweise in einem Unternehmen unterschiedliche Gruppen von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen tätig sind. Die Bedürfnisse von Lehrlingen sind andere als solche von älteren MitarbeiterInnen. Die Arbeitsbedingungen von Teilzeitbeschäftigten unterscheiden sich von jenen die im Schichtbetrieb arbeiten müssen. Für alle Beschäftigtengruppen gilt aber, dass die persönlichen Gesundheitskompetenzen des Einzelnen gestärkt werden müssen;
- Gesundheitsgerechte Arbeitsgestaltung
Die Arbeitsbedingungen im weitesten Sinne müssen in einer Weise gestaltet oder verändert werden, dass sie geeignet sind, die Gesundheit zu erhalten und gesundheitsgerechtes Verhalten fördern;
- Nutzen für die Beschäftigten
Gesundheitsförderung wird nicht um ihrer selbst Willen durchgeführt. Sie will zunächst den gesundheitlichen Nutzen für die Beschäftigten erhöhen und deren Wohlbefinden verbessern. Wie die Erfahrungen gezeigt haben, ist damit sozusagen automatisch ein Nutzen für das Unternehmen verbunden, der sich in einer Verbesserung der unterschiedlichsten betrieblichen Kennziffern niederschlägt;
- Öffentlichkeitsarbeit
Gesundheitsförderung im Unternehmen muss sowohl innerhalb des Unternehmens als auch überbetrieblich ein Gesprächsthema sein;
- Qualitätssicherung und Evaluation
Um sowohl den gesundheitlichen Nutzen für die MitarbeiterInnen als auch den betrieblichen Nutzen nachweisen zu können, sind die Gesundheitsförderungsmaßnahmen ständig zu analysieren und zu bewerten, und zwar sowohl bezüglich der vereinbarten Ziele als auch hinsichtlich unerwünschter Nebenwirkungen;
- Effizienzorientierung
Wie alle Entscheidungen eines Unternehmens, so muss auch betriebliche Gesundheitsförderung betriebswirtschaftlichen Effizienzüberlegungen zugänglich sein; das heißt, dass nur ein effizienter Einsatz personeller und finanzieller Ressourcen den größtmöglichen Gewinn an Gesundheit sichert.
Ein wesentliches Merkmal erfolgreicher BGF-Projekte stellt die aktive Beteiligung der MitarbeiterInnen am Projektablauf dar. Den Beschäftigten bietet sich dabei die Möglichkeit Verbesserungspotentiale unmittelbar aufzuzeigen und Problemlösungen zu entwickeln. Der Mitarbeiter/Die Mitarbeiterin übernimmt somit die Rolle des Experten/der Expertin. Betriebliche Gesundheitsförderung ermöglicht folglich eine WIN-WIN-Situation und bringt sowohl den Beschäftigten als auch dem Unternehmen eine Reihe von Vorteilen.